Im Westen nichts Neues

Mit einer engagierten Leistung sicherte sich die Torfabrik gegen den TuS Sundern den prestigeträchtigen Derbysieg. Torwart Dr. Tim Schröder hielt sensationell, mit Joshi Winkhaus ging ein neuer Stern am Fußballfirmament auf und "Der schwarze Fuß von Bödefeld" erzielte einen Quattrick. Zum ersten Mal nahm die Torfabrik Meschede an einem Turnier der Inklusionsserie vom Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) teil. Ein schöner Fußballtag zwar, doch trotzdem gibt's Anlass zur Systemkritik.

Ist ein anderer Fuball möglich?

Nach 23 Jahren ist der Spielbetrieb im Behindertensportverband nahezu zum Erliegen gekommen. Von ehemals 5 Ligen mit Auf- und Abstiegsregelung in Westfalen gibt es mittlerweile nur noch eine einzige Liga, die überhaupt einen geordneten Spielbetrieb zustande gebracht hat. In der Regionalliga 3 Westfalen, in der die Torfabrik spielt, passierte in diesem Jahr gar nichts. Eine weitergehende Problemanalyse sparen wir uns an dieser Stelle. Ist es Zeit, sich nach etwas Neuem umzusehen? Zum ersten Mal nahm die Torfabrik nun also an einem Hallenturnier des FLVW teil.


Eine Fragestellung begleitet die Torfabrik Meschede schon so lange wie es einen organisierten Spielbetrieb für Menschen mit Behinderungen in Westfalen gibt: wie schafft man es, eine ausgeglichene Leistungsstärke auf den Platz zu bringen und dabei allen Spielerinnen und Spielern gerecht zu werden? Eines ist klar: es zählt der Leistungsgedanke. Alle Mannschaften wollen gewinnen, immer. Das liegt im Wesen des Fußballsports. Trotzdem sollen auch die schwächeren Spielerinnen und Spieler eine Chance und ihren Spaß haben. Es ist ein schwieriges Spannungsfeld der Interessen, in dem sich die Torfabrik schon immer bewegt.

Altbekannte Problemen im neuen Format

Da der Delbrücker SC kurzfristig abgesagt hatte, musste für das Teilnehmerfeld eilig ein Nachrücker gefunden werden. Ein Anruf des Veranstalters bei der Torfabrik genügte. Letztendlich liefen für die Torfabrik Meschede zwei Teams mit insgesamt 18 Spielerinnen und Spielern auf: die Torfabrik Rovers und Torfabrik United. Beide Teams waren bunt gemischt aufgestellt worden, um auf alle Eventualitäten und dramatischen Spielwendungen reagieren zu können. Dabei standen mindestens immer drei spielschwächere Spieler aus dem B-Team auf dem Feld.

 

In beiden Verbänden heißt es: "Erlebnis vor Ergebnis" und ist auch so besprochen. Alle sollen ihren Spaß haben, Ausgelichenheit ist das oberste Gebot - doch leider oft auch das größte Problem. Eigentlich wollte die Torfabrik zu ihrer FLVW-Premiere beim Turnier der Sportfreunde Hüingsen nur mit ihrem spielschwächeren Personal anrücken. Gut, dass man es nicht getan hat. Denn die Gegner waren ziemliche Cracks, die teilweise auf Kreisliganiveau zockten und alles für den Erfolg taten. Nur mit dem B-Team wäre man bei diesem Turnier gnadenlos zusammengeschossen worden.

 

Wenn eine Mannschaft binnen 10 Minuten Spielzeit 7:0 gewinnt, dann ist der Gegner nicht nur hoffnungslos "schlecht", sondern dann geht das an der Zielsetzung auch ziemlich vorbei. Der gleiche Gegner besiegte die Torfabrik mit 3:0. Der dort mitspielende Trainer (!!!) erzielte dabei 2 Tore selbst. Den dritten Treffer legte er mustergültig auf, nachdem er unserem Spieler mit Down-Syndrom den Ball vom Fuß genommen hatte. Ein anderer Coach schaute sich wort- und regungslos an, wie einer seiner Spieler über Minuten total heiß lief und schließlich Torfabrik-Stürmer Kevin Edeler vom Feld trat. Sowas hat uns schon im Behindertensportverband aufgeregt und liegt hier wie da ganz klar in der Sphäre der Mannschaftsverantwortlichen.


Eine fast schon groteske Szene wiederholte sich gleich mehrfach. Bei der Torfabrik wird auf zweierlei Dinge großer Wert gelegt: nach dem Spiel gibt man dem Gegner die Hand, egal wie es ausgegangen ist. Und vor jedem Spiel gibt es natürlich eine ordentliche Begrüßung. Dreimal standen die Torfabrikanten aufgereiht an der Mittellinie bereit, um den Gegner zu begrüßen und sich ein gutes Spiel zu wünschen. Dreimal traten die Gegner nicht zur Begrüßung an und die Mannschaft stand an der Mittellinie wie bestellt und nicht abgeholt. Und da war kein Trainer, der seinen Leuten sagt: "Ey, geht da bitte mal hin. Die wollen euch begrüßen."

 

Um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken: es war ansonsten ein schöner, fairer und wohl organsierter Fußbballvormittag. Viele Spiele waren auch ausgeglichen und spannend, die Stimmung auf dem Feld und der Tribüne freundschaftlich. Doch es gab eben auch solche Dinge, die nicht auf viel Verständnis in Reihen der Torfabrik Meschede trafen. 

 

Derbytime gegen den TuS Sundern

Dass das Ganze auch vollkommen anders geht, bewies sich ausgerechnet mal wieder im brisanten Duell mit dem TuS Sundern. Obwohl es sich um ein Lokalderby handelt und obwohl die Mannschaftsverantworlichen mit vollmundigen Ankündigungen und öfffentlichen Spötteleien die Derbystimmung ordentlich anheizen, kommt etwas ganz anderes dabei heraus: fairer Fußball bei höchstem Einsatz, spannend und auf Augenhöhe, mit großen Emotionen und einem doch äußerst angenehmen Miteinander. Nicht jeder Verein leistet sich eine Freundschaft mit dem Lokalrivalen.

 

In der Vorrunde gelang es Torfabrik United erstmal nicht, den TuS Sundern in die Knie zu zwingen. Nach einem wahren Chancenfeuerwerk zu Spielbeginn trennte man sich mit einem torlosen Unentschieden. Ein 0:0 der feineren Sorte. Extrem spannend und mit vielen Torchancen gespickt, war dieses Unentschieden letztlich ein gerechtes Ergebnis. Die größte Chance des Gegners machte Torwart Dr.Tim Schröder mit einem Klassereflex zunichte.

 

In den Platzierungsspielen traf man schließlich ein zweites Mal auf den TuS Sundern. Diesmal bezwangen die Torfabrik Rovers den Lokalrivalen mit 1:0. Das goldene Tor erzielte Johnny Eblenkamp. Für eine Infarktserie unter den Anhängern sorgte die anarchische Taktik der Torfabrik: in den letzten Spielsekunden wurde die Abwehr gänzlich aufgelöst, um unbedingt noch das 2:0 zu erzielen. Der TuS Sundern brach noch zweimal brandgefährlich durch, konnte aber nicht mehr ausgleichen. Schwein gehabt. Derbysieg!

 

Letztlich schlugen sich beide Torfabrik-Teams in diesem starken Teilnehmerfeld durchaus achtbar. Im Gesamtklassement landeten die Torfabrik Rovers auf Platz 5 und Torfabrik United auf Platz 7. Der TuS Sundern wurde Sechster. "Grillparty, Grillparty", schallte es aus dem Fanblock. Denn mit dem Sieg sicherte man sich auch die von Sponsor Stappert ausgelobte Prämie. Nette Geste noch zum Ende: kurzerhand lud man den unterlegenen Rivalen ein, die hart erkämpfte Grillparty gemeinsam zu begehen.

 

Die beiden Torfabrik-Teams und ihre Spiele

Torfabrik United: Stehend v.l.: Peter, Mevi, Pille Bartsch, Tim Schröder (Tor), Carina Brand, Terry Niedermeier, Kevin Edeler. Vorne v.l.: Lars Klauke, Joshua Winkhaus, Benny Wulf

 

Torfabrik United - TuS Sundern 0:0

Spannendes, aber torloses Unentschieden im Derby. Die Torfabrik legte los wie die Feuerwehr und erspielte sich zahlreiche Chancen, die allesamt vergeben wurden. Als plötzlich ein Gegner mutterseelenallein auf das Torfabrik-Tor zustürmte, wehrte Dr.Tim Schröder mit einem großrtigen Reflex ab.

 

Torfabrik United - Iserlohner Werkstätten 0:4

Klare Klatsche gegen die Iserlohner Werkstätten, die schon im Ligabetrieb des Behindertensportverbandes eine harte Nuss waren. Locker auf BRSNW-Zweitliganiveau spielend gewann Iserlohn überzeugend. Überzeugend aber auch der Kampfgeist von United, das nie aufgab. Wieder zeigte Dr.Schröder eine Top-Leistung im Torfabrik-Gehäuse.

 

Torfabrik United - Sportfreunde Hüingsen I 0:2

Gleiches Bild gegen die gastgebenden Sportfreunde aus Hüingsen. United kämpfte, die Gegentore fielen trotzdem.

 

Torfabrik United - Sportfreunde Hüingsen II 5:1

Im Platzierungsspiel um Rang 7 drehte United nochmal richtig auf. "Der Schwarze Fuß von Bödefeld" Lars Klauke erzielte gleich 4 Tore. Ein noch nie dagewesener Quattrick unseres alten Mittelfeldstaubsaugers. Letztlich fiel der Sieg etwas zu hoch aus, aber jeder Schuss wurde plötzlich zum Treffer. Sein Premierentor im Torfabrik-Trikot markierte außerdem noch Joshua Winkhaus. Joshi verwandelte  ein Zuspiel von Lars eiskalt und ließ dieser offensichtlichen Selbstverständlichkeit einen ebenso souveränen Jubel folgen. Alle freuten sich für Joshi, der die Schulterklopfer gerne annahm. Ein neuer Stern am Fußballfirmament ist aufgegangen!

 

Torfabrik Rovers: Stehend v.l.: Arak Reimann (Tor), Christian Lehmann, Fabian Hallmann, Daniel Pilgram, Dustin Becker. Vorne v.l.: Matthias Willmes, Kimberly Böse, Lena Seemann

 

Torfabrik Rovers - Sportfreunde Hüingsen II 2:0

Direkt im ersten Spiel waren die Rovers voll auf Sendung. Nach einigen guten Spielaktionen und Torchancen war es Johnny Eblenkamp, der mit kalter Schnauze und einem wuchtigen Schuss das 1:0 erzielte. Das vorentscheidende 2:0 erzielte Fabian Hallmann nach einem unwiderstehlichen Solo. Das konnte man sich gut anschauen.

 

Torfabrik Rovers - SSV Hagen 0:1

Gegen den späteren Turniersieger aus Hagen schlugen sich die Rovers absolut achtbar und zeigten großen Kampf. Die Nierderlage konnte auch Keeper Arak Reimann trotz einer Klasseleistung nicht verhindern.

 

Torfabrik Rovers - Lebenshilfe Lüdenscheid 0:3

Wahrscheinlich hätten wir dieses Spiel auch einfach so verloren. Auch ohne die beiden Tore und den Assist des mitspielenden Trainers.

 

Torfabrik Rovers - TuS Sundern 1:0

Die zweite Chance zum Derbysieg nutzten die Rovers im Platzierungsspiel um Rang 5. In einem rasanten Spiel machte Johnny Eblenkamp das 1:0. Beide Mannschaften spielten mit offenem Visier. Selbst kurz vor Abpfiff wetzten alle Abwehrspieler nach vorne und wollten den Sack zumachen. Am Ende wurde es nochmal richtig knapp, doch dem TuS wollte kein Tor mehr gelingen. Die Torfabrikanten freuten sich über den Derbysieg und die gewonnene Grillparty von Sponsor Stappert.